Arbeiten, solange wir wollen – nicht solange wir müssen
- Anita Glombik
- 9. Sept.
- 2 Min. Lesezeit
„Wir leben länger – also arbeiten wir auch länger.“ Dieser Satz klingt logisch. Doch er greift zu kurz. Viel zu kurz. Die Diskussion um ein höheres Renteneintrittsalter flammt in Deutschland immer wieder auf. Politiker argumentieren, unser Rentensystem brauche nachhaltige Lösungen. Das stimmt. Aber die Realität am Arbeitsmarkt sieht ganz anders aus. Besonders für Menschen ab 55.

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Zwischen Statistik und Realität
Die Zahlen erscheinen zunächst positiv:
2022 lag die Erwerbstätigenquote der 55- bis 64-Jährigen bei 75 %, ein Spitzenwert in Europa.
66,7 % der 60- bis 64-Jährigen arbeiten noch, der OECD-Durchschnitt liegt deutlich niedriger.
Auch die Arbeitslosigkeit Älterer ist seit 2010 gesunken.
Das klingt ermutigend. Doch gleichzeitig sehe ich in meinen Coachings: Wer über 55 den Job verliert, findet häufig keinen neuen. Viele berichten, dass sie trotz jahrzehntelanger Erfahrung keine Einladungen mehr zu Bewerbungsgesprächen erhalten. Und nicht wenige schaffen es aus gesundheitlichen Gründen gar nicht bis zur Rente mit 67.
Ein pauschales höheres Rentenalter bedeutet für viele daher keine Chance, sondern eine Belastung: de facto eine „Rentenkürzung durch die Hintertür“.
Was wirklich helfen würde
Wenn wir wollen, dass Menschen länger arbeiten, müssen wir ihnen echte Chancen geben. Dafür braucht es Veränderungen, nicht nur in der Politik, sondern auch in den Unternehmen:
Gezielte Weiterbildung auch für 60+. Ich erlebe oft, dass Weiterbildungsangebote abrupt enden, sobald jemand die 50 überschreitet. Das ist verschenktes Potenzial.
Steuerliche Anreize für Unternehmen, die Ältere bewusst einstellen oder länger halten.
Flexible Modelle wie Teilzeit, Projektarbeit oder befristete Weiterbeschäftigungen. Diese Angebote sind gerade für die Generation 55+ oft entscheidend.
Gesundheitsförderung, die nicht nur auf junge Mitarbeitende zielt, sondern Beschäftigungsfähigkeit bis ins hohe Alter unterstützt.
Andere Länder zeigen, dass es geht: In Skandinavien und der Schweiz sorgen individuelle Lösungen dafür, dass Menschen auch nach dem regulären Renteneintritt noch gerne und motiviert arbeiten.
Selbstbestimmung statt Zwang
Viele Menschen 55+ möchten weiterarbeiten, aber nicht um jeden Preis. Sie wollen Aufgaben, die Sinn stiften, und Rahmenbedingungen, die zu ihrer Lebenssituation passen. Es geht also nicht darum, länger arbeiten zu müssen, sondern arbeiten zu dürfen.
Genau darin liegt der Schlüssel: Selbstbestimmung. Wer seine Erwerbstätigkeit gestalten kann, bleibt gesünder, motivierter und engagierter. Studien belegen, dass schrittweise Übergänge in den Ruhestand die mentale Gesundheit schützen und Depressionen vorbeugen.
Ein Blick nach vorn
Bis 2036 erreichen fast 20 Millionen Erwerbstätige in Deutschland das Rentenalter. Ohne die Erfahrung und Kompetenz dieser Generation ist der Fachkräftemangel nicht zu bewältigen.
Die entscheidende Frage lautet deshalb: Gestalten wir diesen Übergang als Verlust – oder als Gewinn?
👉 In der Community „Karriere 55+“ sprechen wir genau darüber:Wie können wir Übergänge so gestalten, dass sie Würde, Weitsicht und Wirkung haben?Welche Chancen entstehen, wenn wir länger arbeiten dürfen? Nicht weil wir müssen, sondern weil wir wollen! Dort tauschen sich Fach- und Führungskräfte aus, wie die Arbeitswelt altersdivers und zukunftsfähig gestaltet werden kann.
Wenn Sie mehr erfahren möchten, wie Sie Ihre berufliche Zukunft aktiv gestalten können, nehmen Sie gerne Kontakt mit mir auf.